Der Weltbeste Fahrradmechaniker

Wir sind auf einem Campingplatz zwischen Lagos und Luz an der Algarve. Viel ist hier noch nicht los, aber wir haben tolle Nachbarn.

Justus stellt meistens den Kontakt zu den anderen Camper her. Susan aus England ist mit ihrem Freund David schon ein paar Jahre auf dem Campingplatz. David arbeitet in einer Bar und sie genießt mit ihrem Hund „Willow“ schon den Ruhestand. Justus findet ihn „so süß“ und darf oft mit ihm spielen und „mitgassigehen“. Wir hatten schon kurz überlegt, ob wir sie als Babysitter engagieren, aber dafür ist Justus sein Englisch einfach noch zu schlecht:) Ansonsten quatscht er jeden an, wenn er mit seinem Laufrad unterwegs ist.

Er schaut zwar immer ein bisschen komisch wenn ihm in einer anderen Sprache geantwortet wird, aber er quatscht einfach munter weiter auf die Leute ein. Irgendwann kannten wir natürlich den ganzen Campingplatz. Highlight war auch ein umgebautes Feuerwehrauto. Er ist bestimmt 30 mal die Leiter auf’s Auto hochgeklettert und ist in unsere Arme gesprungen-Was für ein Spaß!

Innerlich habe ich eine kleine Baustelle, an die ich denken muss: Mein Polo Fahrrad ist in Faro leider kaputt gegangen. Die Hinterradachse ist gebrochen und da ich unbedingt in Lissabon und Porto Polo spielen möchte, musste ich mir etwas einfallen lassen.

Hier gibt es kaum Fahrradwerkstätten-Sowieso gibt es hier kaum Fahrradfahrer. Wenn wir mit unserem Kinderanhänger durch die Gassen sausen werden, wir immer angeschaut, als ob wir eine Ziege hinter uns herziehen würden.

In Lagos war nun ein Fahrradladen verzeichnet Angekommen, Problem geschildert und schnell wurde klar, dass der Typ darauf kein Bock hatte und angeblich auch keine Zeit. Er verwies uns an einen Laden im Zentrum der Stadt und malte mir ein Kreutz auf eine Karte. Als wir an dem Punkt ankamen, war allerdings kein Fahrradladen zu finden. Ich fragte mich durch und wurde zu einer grünen Tür geführt-Sie war verschlossen, kein Klingelschild, einfach nichts. „Puh“… dachte ich mir, das kann ja nichts werden. (Nine war auch schon leicht genervt) Ich zog nach der Mittagspause aber trotzdem nochmal los zur grünen Tür.

Von Zauberhand öffnete sich die Tür und ich stand in einer dunklen Werkstatt. An der Wand hingen zwei Fahrräder, rechts daneben stand eine Werkbank auf der sich sowohl unzählige Fahrradteile als auch jede Menge Werkzeug befand. Daneben ein freundlich lächelnde Mann-Leider konnten wir sprachlich nicht zueinander finden, aber ich versuchte so etwas wie: „Das ist kaputt“ und „Ich komme morgen wieder“ zeichensprachlich rüberzubringen. Bei ihm sah es so aus wie: „Ich versuche“, aber seine Körpersprache sagte mir, dass das wohl nichts wird.

Zurück zu Nine und dann ging es weiter mit dem Rad zu den Grotten von Lagos, die man unbedingt mit dem Boot erkunden sollte. Uns war es allerdings zu teuer. Wir fuhren wieder unter staunen Blicken mit unserem Fahrradgespann dorthin…. Und es war wirklich unbeschreiblich schön hier.

Am nächsten Tag fuhr ich unter Spannung zurück nach Lagos zur grünen Tür. Ich hatte zwar keine Hoffnung, aber mein Hinterrad für das Polo Rad wollte ich unbedingt wieder haben.

Als ich ankam, wurde mir freudestrahlend mein repariert Hinterrad übergeben. Die Fehlenden Speichen wurden erneuert, das Rad war zentriert und die neue Achse war eingebaut. Erster Gedanke: „Boaahhh geil“ Zweiter Gedande: „das wird teuer“ Ich war extra zuvor zum Geldautomaten gefahren und hatte 100 Euro abgehoben-ob das wohl reicht? (Allein die Achse kostet als Ersatzteil 40 Euro) Als der Mechaniker mir den Preis von 10!!! Euro für die Reparatur nannte, dachte ich: “ der spinnt!“ In Deutschland hätte ich locker 70 Euro bezahlt. Ich gab ihm 30 Euro und sagte das wäre schon OK- er wollte es jedoch nicht. Dankbar verließ ich den Laden und brachte dem Mechaniker anschließend noch einen frischen Kaffee aus dem Café nebenan vorbei-den nahm er dankbar an.

Den Abend verbrachten wir mit Nancy und Marcel aus Dresden, die auch mit Kleinkind und Camper unterwegs sind, leider floss viel zu viel Wein. Kleine Memo an uns selbst: Wenn man am nächsten Tag weiterreisen will, sollte man das besser sein lassen. Nine und ich hatten ein bisschen Kopf am nächsten Tag.

Das Bullipacken ging ein bisschen langsamer von statten als üblich-ist aber auch nicht weiter schlimm, denn die Checkout-Zeit auf den Campingplätzen ist hier üblicherweise um 17.00 Uhr. Wir fuhren nach Monchique und parkten auf einem Supermarktparkplatz. Dummerweise hatten wir uns überhaupt nicht mit der Region beschäftigt und wussten nicht, was wir hier sollten…wie es nach dem Mittagessen weitergeht, könnt ihr im nächsten Blogeintrag lesen…

Eigentlich wollte ich diesen Blogartikel anders anfangen, aber das passt nicht zu diesem tollen Urlaub, den wir hier verbringen dürfen. Ich bin wirklich sehr dankbar dafür, dass ich mit meiner Familie eine so tolle Erfahrung machen darf… aber wie immer gibts im Leben nicht nur die Sonnenseite, also jetzt mal ein bisschen was zum Nachdenken…

Was macht mal wohl mit 800 Euro im Monat auf dem Konto? …Genau so hoch ist der durchschnittliche monatliche Nettoverdienst der Portugiesen. In Deutschland wäre das in etwa so hoch, wie das Einkommen eines Arbeitslosengeld 2 Empfängers (wenn man die Miete und sonstige Leistungen mit einbezieht) Mir war das vor der Reise nicht klar, dass wir ins doch so arme Portugal reisen. Von den Ländern, die den Euro besitzen, liegen nur noch Lettland und Litauen hinter Portugal.

Warum war mir das vorher nicht bekannt? Wenn ich jemanden nach Portugal gefragt habe, bekam ich fast ausnahmslos positive Reaktionen. …. Traumstrände…Surferparadies…nette Menschen… All das stimmt natürlich auch, aber es könnte auch daran liegen, dass die meisten Menschen nicht mit einem VW Bus von Ort zu Ort fahren, sondern eher mit dem Flieger in die Urlaubsregion fliegen, sich dort auch aufhalten und von der Tourismus-Industrie verwöhnen lassen. (ist ja auch OK, denn dafür ist der Urlaub ja auch da)

Wir kommen gerade aus so einer Region um Lagos herum- Riesige Hotelanlagen mit großzügigen Golfplätzen. Alles aufwendig bewässert, damit es so schön grün leuchtet wie zu Hause.

Es ist wirklich schön hier an der Algarve, ein Traumstrand reiht sich an dem anderen und man kommt sich als Nordsee-Einheimischer ein bisschen so vor wie im Paradies.

Es gibt hier auch viele deutsche Obdachlos, die sich hier wohlfühlen und versuchen, mit schlechten Sandskulpturen ein paar Euros zu verdienen. Urlaubstechnisch haben es sich hier hauptsächlich Engländer und Deutsche in den Hotelanlagen gemütlich gemacht. Viele Franzosen sind mit ihren Campern hier. Einmal Sonne und zurück. Vielleicht auch mal einen Ausflug für 20 Euro pro Person buchen. Für Portugiesen die hier leben einfach unbezahlbar, deswegen machen Sie hier auch keinen Urlaub.

Puhh… für heute erstmal genug… Kernmessage sollte nur sein, dass Portugal für den Tourismus wunderbar ausgebaut ist, ansonsten jedoch weit von dem Lebensstandard entfernt ist, in dem wir uns in Deutschland bewegen- Das war mir neu!

Veröffentlicht von

Andreas

29 Jahre alt. Aus Oldenburg / Varel / Butjadingen. Beschäftigt sich mit Tech kram und alles was mit Rennrad und BikePolo zu tun hat.